Eignung von rezyklierten Kalksandstein-Mauerwerk für Tragschichten ohne Bindemittel im Straßenbau

Ansprechpartner: Dipl.-Ing. Nina Flottmann, Ing. grad. Jan Kollar

In der Praxis fallen zunehmend größere Mengen an rückgebautem Kalksandstein-Mauerwerk zur Verwertung an. Derzeitige Schätzungen gehen von einer jährlich anfallenden Menge in Höhe von ca. 6 Mio. t Kalksandstein-Mauerwerk (Mauerwerk insgesamt ca. 20 Mio. t/a) in Deutschland aus. Diese Mengen können aber derzeitig im Erd- und Straßenbau nur für untergeordnete Verfüllmaßnahmen verwendet werden.

Für den Straßenoberbau begrenzen die TL Gestein-StB und die TL SoB-StB für die Tragschicht ohne Bindemittel - dem Hauptanwendungsgebiet für Recycling-Baustoffe - den Anteil der stofflichen Komponente Kalksandstein im Baustoffgemisch auf maximal 5 M.-%. Damit ist eine gezielte Wiederverwertung von rückgebauten Kalksandstein-Mauerwerksmassen im Oberbau von Verkehrsflächen heute noch nahezu ausgeschlossen. Ziel dieses Forschungsvorhabens ist deshalb eine deutliche Erhöhung dieser Verwertungsrate.

Im Rahmen dieser Forschungsarbeit wurden vier verschiedene Kalksandstein-Materialien hinsichtlich ihrer straßenbautechnischen Eignung untersucht. Diese vier Materialien decken die in der Praxis auftretenden Kalksandsteinqualitäten hinsichtlich der Porositätseigenschaften und der Festigkeit ab. Für Recyclingbetriebe wird keine Unterscheidung zwischen verschiedenen Kalksandstein-RC-Materialien erforderlich sein. Folgende Kalksandstein-Materialien wurden verwendet:

  • Gemisch aus hochfesten Kalksandstein-Schnittabfällen (KS 1)
  • Gemisch aus normalfesten Kalksandstein-Schnittabfällen (KS 2)
  • Kalksandstein-Mauerwerksbruch einer einzelnen Großbaustelle (KS 3)
  • an einer Aufbereitungsanlage anstehender Kalksandstein-Mauerwerksbruch von verschiedenen Baustellen (KS 4)

Darüber hinaus wurde aus drei RC-Baustoffen aus überwiegend rückgebautem Beton auf Basis der Ergebnisse einer straßenbautechnischen Grundlagenuntersuchungen ein Beton-RC-Material als Referenzmaterial für die weiteren Untersuchungen ausgewählt (RCB 3).

An den nahezu stofflich reinen Ausgangsmaterialien wurden zunächst die stofflichen Kennwerte ermittelt sowie an daraus hergestellten Korngemischen Prüfungen zum Nachweis der Eignung für Tragschichten ohne Bindemittel (ToB) durchgeführt. In weiteren Untersuchungsschritten wurden Baustoffgemische - in stofflich gemischter Form - aus den Kalksandstein-Ausgangsmaterialien (KS 1 bis KS 4), dem ausgewählten Beton-RC Baustoff (RCB 3) und z.T. mit einer definierten Zugabe von Gipsputz (P) in unterschiedlichen Mischungsverhältnissen untersucht.

Grundsätzlich ist eine Zuordnung des gebrochenen Kalksandstein-Mauerwerks aufgrund seiner äußeren Beschaffenheit zu einer „Stoffgruppe Kalksandstein“ im RC Baustoffgemisch eindeutig möglich. Dazu ist eine Abtrennung der Mörtel- und/oder Putzanteile in eine eigene Stoffgruppe für die Anforderungen an RC-Baustoffe für ToB´s (im geltenden Regelwerk TL Gestein StB) notwendig. Besonders Putzanteile, können die Qualität des RC-Baustoffgemisches stark beeinflussen.

Bei den Untersuchungen an den sortenreinen Korngemischen stellten sich mit den rezyklierten Kalksandsteinmaterialien (KS 3, KS 4) geringere maximale Frosthebungen ein als mit den „fabrikneuen“ (KS 1, KS 2). Diese Unterschiede zeigten sich bei den Baustoffgemischen aus 60 % RCB 3 + jeweils 40 % KS 1, KS 2, KS 3 oder KS 4 nicht mehr. Auch wurde festgestellt, dass mit einer 40 %igen Zugabe von Kalksandstein die Frostempfindlichkeit des RC-Baustoffgemisches nicht beeinträchtigt wird.

Die maximalen Frosthebungen der untersuchten Baustoffgemische sind nur unwesentlich höher, als die der sortenreinen Ausgangsmaterialien. Es scheint, dass tendenziell der Materialanteil mit dem höheren Hebungspotential im Baustoffgemisch dessen maximale Hebungen beeinflusst. Dieses spiegelt sich bei den Ergebnissen der Frosthebungsversuch (FHV) am Baustoffgemisch mit einer definierten Zugabe von Innenputz wieder. Unabhängig von den Mischungsverhältnissen des RC-Baustoffs mit Kalksandsteinen weisen die Gemische mit einer 5 %igen Zugabe von Gipsputz höhere maximale Frosthebungen auf.

Allen Baustoffgemischen (60 % RCB 3 + 40 % KS 1, KS 2, KS 3 oder KS 4) gemein ist ein Tragfähigkeitsverlust von ca. 10 bis 30 % durch die Frostbeanspruchung, der aus der Differenz der CBR-Werte vor und nach dem FHV ermittelt wird. Die CBR-Werte nach FHV liegen nach dem FHV bei 20 % und 30 % und damit nach Floss [34] im Bereich einer mittleren bis guten unteren Tragschicht sowie gering bis mittel frostempfindlich. Aufgrund des zum Teil jedoch deutlichen Tragfähigkeitsverlustes der Baustoffgemische RCB 3 + KS 3 oder KS 4 sind diese beiden Gemische als mittel bis sehr frostempfindlich einzustufen. Durch den FHV konnte eine Kornverfeinerung an den Baustoffgemischen ermittelt werden. Eine mögliche Ursache für diese Feststellungen liefern ggf. die mikroskopischen Untersuchungen, bei denen aufbereitungsbedingte Mikrorisse in einzelnen Betonstücken festgestellt wurden. Diese Effekte haben aber keinen Einfluss auf die grundsätzliche Verwertbarkeit solcher Gemische im Straßenbau. Negative Auswirkungen auf das Praxisverhalten von Beton-RC-Baustoffen sind hierdurch nicht bekannt.

Ferner zeigen die mikroskopischen Untersuchungen, dass das Kalksandstein-Material keinerlei Risse aufweist.

Durch die Zugabe von Gipsputz findet eine weitere Reduzierung der Tragfähigkeit um rd. 10 %, sowie auch eine im Gegensatz zu den vorhergehenden Baustoffgemischen, signifikante Kornverfeinerung über alle Kornklassen, statt. Die CBR-Werte liegen dann zwischen 10 % bis 20 %, was eine Verwendung als RC-Baustoff hier in Frage stellt. Die Frostempfindlichkeit des Gipsputzes limitiert unabhängig von den anderen Anteilen das Gesamtfrost- und Gesamttragverhalten des Baustoffgemisches.

Wichtig für eine erhöhte Zugabe von KS-Material im RC-Baustoff ist daher auch eine Begrenzung des Feinkornanteils < 0,063 mm, welcher aber auch unabhängig der stofflichen Bestandteile eines RC-Baustoffs heute schon zur Sicherstellung einer ausreichenden Wasserdurchlässigkeit von ToB´s gefordert wird.

Beim Vergleich der Untersuchungsergebnisse mit den Anforderungen der TL Gestein-StB bzw. der TL SoB-StB scheint es sinnvoll, für die Beurteilung der Eignung von RC Baustoffgemischen für Tragschichten ohne Bindemittel Festlegungen zur Prüfung des Gesamtkorngemisches zu treffen. Mit Hilfe des Frosthebungsversuchs in Verbindung mit einem abschließenden CBR-Versuch lässt sich die Frostempfindlichkeit von Korngemischen besser und praxisrelevanter beurteilen als mit der im Regelwerk geforderten Frost-Tau-Wechsel-Prüfung an Einzelkörnungen. Im Gegensatz zu einer Bewertung gemäß den geltenden Anforderungen für die Schlagzertrümmerung und den Frostwiderstand, geprüft an Kornklassen, weisen die Untersuchungsergebnisse zur Beurteilung der Kornverfeinerung und der Frosthebung auf ein tendenziell positives straßenbautechnisches Verhalten der Baustoffgemische hin.

Eine Zugabe von 40 M.-% Kalksandstein - und damit deutlich mehr als die heutige zulässige Menge von max. 5 M.-% - in Baustoffgemischen für Tragschichten ohne Bindemittel scheint auf Basis der Untersuchungsergebnisse im Labor unabhängig vom eingesetzten KS-Ausgangsmaterials möglich zu sein.

Mit entscheidend für die Verwendung solcher Baustoffgemische ist der Ausschluss von Gipsputz, da schon geringe Mengen das Gesamttragverhalten des Baustoffgemisches deutlich reduzieren.

Das Forschungsziel wurde erreicht. Alle Untersuchungen wurden gemäß dem Forschungsantrag an großtechnisch aufbereiteten KS-RC-Materialien durchgeführt und im Labor untersucht. Mit einem Folgeprojekt sollten daher die gewonnenen Erkenntnisse in einer Erprobungsstrecke unter den Einflüssen von Wetter und Verkehr weiter analysiert und bestätigt werden.

Kompletter Bericht zum download   (2.8 MB)